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Eine Vorsilbe ändert alles. Servo- macht Hydraulik zum präzise geregelten Antrieb. Doch was leistet Servohydraulik wirklich? Welche Herausforderungen bringt ein Wechsel mit sich? Das erklären wir Ihnen in diesem Beitrag.
Hydrauliksysteme werden in vielen Industrie-Applikationen eingesetzt
Klassische Hydraulikanwendungen haben viele Vorteile: Die Hydraulik sorgt für eine hohe Kraft- und Leistungsdichte und geringe Trägheiten, die Antriebselemente sind robust und vergleichsweise kostengünstig. Es geht aber auch anders – Pressen und Spritzgießmaschinen sind nur zwei Beispiele für Anwendungen, bei denen es sich lohnt, über eine Alternative nachzudenken
Bislang kommen in Hydraulikanwendungen zur Regelung von Druck und Volumenstrom in vielen Fällen folgende Lösungsansätze zur Anwendung:
Kostengünstig und robust: Asynchron-Normmotor am Netz mit Konstantpumpe
In Systemen mit ventilgesteuerten Antrieben mit Standard-Normmotoren und Konstantpumpen dreht der Elektromotor permanent mit der Netzfrequenz. Über die Konstantpumpe wird dauerhaft Volumenstrom gefördert. Die Druck- und Volumenregelung erfolgt hier über Proportionalventile.
Die Anschaffungskosten für das Gesamtsystem mit ungeregeltem Asynchronnormmotor sind insgesamt meist niedriger als bei anderen Lösungen, die Lebenszykluskosten durch den hohen Energieverbrauch aber vergleichsweise hoch.
Vorteil: Niedrige Anschaffungskosten durch den Einsatz von Standard-Normmotoren
Nachteile:
System Normmotor am Netz und elektro-hydraulische Verstellpumpe
Auch elektro-hydraulische Verstellpumpen werden in der Regel durch Asynchronmotoren angetrieben. In diesen Anwendungen dreht der Motor permanent mit konstanter Drehzahl, Druck und Volumenstrom werden über eine Axialkolbenpumpe geregelt.
Der Einsatz von Verstellpumpen verbessert die Energiebilanz des Systems. Dennoch kommt es weiterhin zu erheblichen Verlusten und Nachteile wie die hohe Lärmbelastung bleiben bestehen.
Vorteil: Höhere Energieeffizienz als die Kombination mit Asynchronmotor und Konstantpumpe, da Verlustleistung der Verstellpumpe niedriger
Nachteile:
Wesentlich für den Energieverbrauch in hydraulischen Anwendungen sind Systemdruck und Volumenstrom, die die benötigte hydraulische Leistung ergeben.
Der beispielhafte Zyklus einer hydraulischen Maschine in der Abbildung zeigt den je Teilzyklus benötigten Druck in [Bar], die geförderte Ölmenge in [L/min] sowie die daraus resultierende hydraulische Leistung in [kW].
Die Anforderungen der Teilzyklen sind je Prozessschritt sehr unterschiedlich. Beim Schließen der Presse im ersten Zyklusschritt ist beispielsweise eine mittlere Leistung und ein hoher Volumenstrom notwendig. Während des Druckaufbaus im zweiten Schritt steigt der Druck an, der Volumenstrom geht zurück und demzufolge geht auch die hydraulische Leistung zurück. Während der dritten Phase, der Injektion, haben wir einen hohen Volumenstrom sowie einen hohen Druck, woraus sich eine ebenfalls hohe hydraulische Leistung ergibt.
Druck, geförderte Ölmenge und Motorleistung in den einzelnen Zyklusphasen – große Unterschiede bei der benötigten hydraulischen Leistung
Energie sparen mit servohydraulischen Antriebssystemen
Servo-hydraulische Maschinen verbinden die Vorteile der hydraulischen Leistungsübertragung mit den Vorzügen von Servo-Antriebstechnik: Hohe Leistungsdichten, geringe Trägheiten sowie kostengünstige und robuste Antriebselemente treffen auf dynamische und präzise Drehzahlregelung. So sinkt der Energieverbrauch deutlich. Dabei sind die geringe Wärme- und Geräuschentwicklung, der hohe Wirkungsgrad sowie überdurchschnittliche Dynamik und Präzision typische Vorzüge der Servotechnik
Das Antriebspaket von Servo-hydraulischen Systemen besteht aus einer Konstantpumpe, einem Servomotor sowie einem Umrichter mit integriertem Technologiepaket „Servohydraulik“. Der Baumüller Servomotor treibt die Pumpe an. Geregelt wird der servoelektrische Pumpenantrieb separat von einem Servoregler.
Da der Antrieb durch Einsatz der Servopumpe nur dann Leistung erbringt, wenn sie tatsächlich genutzt wird, verbraucht die Maschine um ein vielfaches weniger Energie. Im Vergleich zu den klassischen Lösungen sind bis zu 50 Prozent Einsparung möglich, bei langen Zyklen ohne Kraftbedarf sogar bis zu 80 Prozent. Hieraus ergeben sich deutlich reduzierte Lebenszykluskosten, die die höheren Initialkosten häufig innerhalb eines Jahres amortisieren.
Ein weiterer Aspekt ist die deutlich reduzierte Lärmbelastung. Konventionelle Hydrauliksysteme verursachen durch den permanent laufenden Hauptantrieb stetig Geräusche, auch dann, wenn keine hydraulische Energie benötigt wird.
Durch den Einsatz von Servohydraulik wird das Antriebssystem wesentlich kompakter, was die benötigte Maschinenaufstellfläche verringert.
Werden flüssigkeitsgekühlte Servomotoren mit Wasser- oder Ölkühlung eingesetzt, können für die benötigte Nennleistung kleinere Motorbaugrößen verwendet werden, was die Kompaktheit des Systems zusätzlich erhöht. Zusätzliches Potenzial bietet der Einsatz von innenverzahnten Pumpen – diese verkürzen den Bauraum, da der Pumpenträger entfällt und die Motor-Pumpenkombination deutlich kürzer ausfällt.
Weiterhin werden in servohydraulischen Systemen Pumpen eingesetzt, die nicht an die Netzdrehzahl gebunden sind und deutlich kleiner ausfallen. Typischerweise werden Pumpen an einem Normmotor bei 1450 rpm (50 Hz, 2-poliger Motor) betrieben. Durch den Einsatz von Servoantriebstechnik ist die Pumpendrehzahl von der Netzfrequenz entkoppelt. Neue Generationen von Innenzahnradpumpen bieten hier die Möglichkeit, je nach Schluckvolumen Drehzahlen von über 5000 rpm zu realisieren. Dadurch kann die Pumpengröße deutlich reduziert werden. Darüber hinaus sinkt durch die kleinere Pumpe auch der Drehmomentbedarf des Motors, wodurch auch hier ein Downsizing ist. Die benötigte Leistung kann dann über die Motordrehzahl realisiert werden.
Da die Regelung von Druck und Volumenstrom direkt im Antriebsregelungszyklus bei schnellen Zykluszeiten von 125 Mikrosekunden abgebildet wird, ist eine sehr dynamische und genaue Regelung möglich. Diese ausgezeichneten Regeleigenschaften führen zu einer hohen Wiederholgenauigkeit, die eine verbesserte Produkt- und Prozessqualität ermöglichen. Jede hydraulische Achse kann, abgestimmt auf den jeweiligen Verbraucher, mit eigenen Regelparametersätzen im Regler hinterlegt werden.
Vorteile:
Nachteile: Höhere Initialkosten
Wann sich der Wechsel zu Servohydraulik lohnt – alle Informationen in unserem Webcast (15 Minuten)!
Beispiel eines Zyklus einer Spritzgießmaschine
Sehr gut lässt sich das Prinzip der Servohydraulik am Beispiel des Zyklus einer Spritzgießmaschine darstellen. Bei der Herstellung von Plastikbechern oder Flaschenverschlüssen werden sechs Schritte durchlaufen: Plastifizieren, Dosieren, Einspritzen, Ausformen, Abkühlen und Entformen. Diese Produktionsschritte sind höchst unterschiedlich, wodurch innerhalb eines Prozessschrittes die Spritzgießmaschine einen stark schwankenden Leistungsbedarf hat. Schließ- und Einspritzvorgänge erfordern große Mengen an Hydrauliköl und einen hohen Volumenstrom. Dagegen benötigen Kühlzeiten keine oder nur minimale Leistung.
Der Unterschied beim Energieverbrauch zwischen den drei vorgestellten Systemen ist in der Grafik deutlich zu erkennen. Die hohe Energieeffizienz der servohydraulischen Lösung entsteht durch eine bedarfsgerechte Pumpenleistung. Steht die Maschine still, z.B. beim Abkühlen, ruhen auch die Motoren und verbrauchen keine Energie.
Beispiel eines Zyklus einer Presse
Ein weiteres Beispiel sind Pressen. Der Zyklus in der Abbildung gliedert sich in drei Teilzyklen: Presse vor (Verdichten des Pressguts), Verweilzeit, Presse zurück und Entnahmezeit. Der Vergleich des Energieverbrauchs zwischen den drei verschiedenen Systemen zeigt, dass die servohydraulische Lösung in den einzelnen Teilzyklen eine deutlich geringere Leistungsaufnahme hat und damit insgesamt einen deutlich geringeren Energieverbrauch. Anders als bei den konventionellen Hydrauliksystemen muss nur die tatsächlich benötigte Energie eingesetzt werden, während bei den klassischen Systemen die Verluste durch das konstante Drehen des Normmotors in Ruhephasen höher sind, etwa beim Halten (siehe Abbildung).
Der Wechsel von klassischen Hydrauliksystemen zu servohydraulischen Systemen ist in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Applikationsteam zu bewerkstelligen. Zur Auslegung des Antriebssystems wird der Zyklus der Maschine sowie das Druck- und Volumenstromprofil der Maschine über die Zeit benötigt. Anhand dieser Informationen kann das servohydraulische System mit seinen Komponenten mit Hilfe der Berechnungssoftware des Antriebsherstellers ausgelegt werden.
Die Integration der neuen Lösung in das Maschinen-Layout ist in der Regel ebenfalls ohne größere Herausforderungen vorzunehmen. Die Ansteuerung durch die Maschinensteuerung kann analog oder über moderne Bussysteme erfolgen. Das alte System aus Asynchronmotor und Regelpumpe bzw. Asynchronmaschine und Konstantpumpe kann in vielen Fällen 1:1 durch eine Servohydraulik ersetzt werden.
Spritzgießmaschinen und Pressen sind nicht die einzigen Einsatzgebiete für servomotorische Pumpen. Überall dort, wo sich im Maschinenzyklus Phasen mit hohem Leistungsbedarf mit Pausenzeiten abwechseln, kann der Einsatz von servohydraulischen System Sinn machen, etwa in Stanz- oder Biegemaschinen.
Die Vorteile der hydraulischen Leistungsübertragung und der elektrischen Leistungsstellung mittels Servotechnik kombiniert, ergeben als Alternative zur hydraulischen Druck- und Volumenstromregelung eine energieeffiziente und kostengünstige Lösung in Form einer dynamisch regelbaren Servopumpe.
Michael Stiegler
Applikation